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"Leben im Schatten der Stürme"

"Ich habe noch nie ein Buch gemacht, was mir so schwer auf dem Herzen liegt. Nicht im oder am – sondern auf dem Herzen. Deswegen habe ich auch diesen Platz ausgesucht – wie eine zerborstene Welt".

Landolf Scherzer
Landolf Scherzer  Landolf Scherzer in Suhl Scherzer 2 Scherzer 3 Scherzer 4 LUPE

Landolf Scherzer "Leben im Schatten der Stürme. Erkundungen auf der Krim"

Buchlesung und Diskussion  (Flyer)

 

Am Donnerstag, den 19.Januar 2023 fand im  ZIM Rosa-Luxemburg-Strasse 50 eine gutbesuchte und vielbeachtete Lesung zum neuen Buch des thüringer Schriftstellers Landolf Scherzer statt.

 

Was denken die Menschen auf der Krim?

Landolf Scherzers Reportage fand darauf vielfältige Antworten.
Er begann und beendete seine Buchvorstellung mit dem vielsagendem Satz: "Ich stehe am Fenster!"
Die Krim - eine Region, die ein Paradies sein könnte, aber zum Spielball zerstrittener Länder wurde.
2019 war Landolf Scherzer für mehrere Wochen auf der Halbinsel, die 2014 nach einem von Moskau initiierten Referendum von Russland annektiert wurde. Er erzählte von einem Brieffreund,der ihn bat, mehr über die Krimtataren erfahren, einer muslimischen Volksgruppe, die sich schon vor über einem halben Jahrtausend auf der Halbinsel angesiedelt hatte. Von Stalin wurden sie 1944 wegen angeblicher Kollaboration mit den deutschen Faschisten ausnahmslos von der Krim verbannt und deportiert, ähnlich wie es den Russlanddeutschen erging. Erst 1989 durften die Krimtataren wieder zurückkommen, doch ihr einstiges Land gehörte längst anderen. 
Und so machte er sich auf einen umständlichen und komplizierten Weg.
Landolf Scherzer, der 'Spezialist für Recherchen vor Ort', fuhr also auf die Krim. Er ahnte nicht, dass es der Vorabend eines Krieges zwischen Russland und der Ukraine war. Aber aus seinen Beobachtungen und Begegnungen wird die historische Dimension der Konflikte deutlich.
Scherzer wollte die Geschichten der tatarischen Heimkehrer erfahren, von ihrer Vertreibung, ihrem Überleben, ihren Traditionen, vom Ankommen in einer "fremden Heimat", hin und hergerissen zwischen Russland und Ukraine.
Das Porträt einer Krisenregion entsteht, das weder vereinfacht noch verurteilt und dadurch umso wahrhaftiger und lebendiger ist.

"Die meisten hier haben Leidensgeschichten. Russen, Polen, Deutsche, Ukrainer ... Nicht nur bei den Tataren blieb die Angst wie ein Geschwür im Kopf. Auf der Krim ist sie jetzt als Angst vor dem Krieg wieder lebendig", so sagte er.

So drehten sich in der sich anschliesenden Diskussion die überwiegenden Fragen um das alle bewegende Problem, wie geht es weiter mit dem Krieg in der Ukraine, ist eine diplomatische Lösung in Sicht oder wird die Gefahr einer Eskalation durch die unsägliche Lieferung immer stärkerer Waffensysteme sich zu einem Inferno auswachsen? Jetzt sollen die Panzer sprechen, dann vielleicht Kampfflugzeuge  und Soldaten und schliesslich wächst die atomare Gefahr auf dem europäischen Kontonent. Ist die NATO schon im Krieg mit Russland? Ein Bürger stellte die Frage nach der Hörigkeit der Europäischen Union gegenüber den US Amerikanern, die sich mit immer mehr Waffenlieferungen genüsslich die Hände reiben. Amerika ist ja weit weg.

 

Alles in Allem so das Resümee der Veranstaltung, ist es an der Zeit die Kraft der Friedenbewegung zu bündeln und gegen die aufkommende Kriegsgefahr in Europ eine starke Front zu bilden. Diplomatische Initiativen sind das Gebot der Stunde. Aber ob das mit den gegenwärtigen politischen Kräften in der Ampelregierung gelingen wird, ist aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich.

 

Und aus diesem Grunde beendete Scherzer seinen Vortrag mit den Eingangsworten "Ich stehe am Fenster!"

 

Unser Verein möchte sich noch einmal bei Landolf Scherzer und seiner Begleitung für diesen überaus interessanten Abend bedanken und die Zuhörer  ihrerseits dankten mit einem lang anhaltenden Beifall.

 

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Landolf Scherzer, 1941 in Dresden geboren, lebt als freier Schriftsteller in Thüringen. Er wurde durch Reportagen wie "Der Erste", "Der Zweite" und "Der Letzte" bekannt.
Im Aufbau Taschenbuch sind ebenfalls seine Bücher "Der Grenzgänger", "Immer geradeaus. Zu Fuß durch Europas Osten", "Urlaub für rote Engel. Reportagen", "Fänger & Gefangene. 2386 Stunden vor Labrador und anderswo", "Madame Zhou und der Fahrradfriseur. Auf den Spuren des chinesischen Wunders", "Stürzt die Götter vom Olymp. Das andere Griechenland", "Der Rote. Macht und Ohnmacht des Regierens" und "Buenos días, Kuba. Reise durch ein Land im Umbruch" lieferbar. Zuletzt erschien bei Aufbau "Weltraum der Provinzen. Ein Reporterleben" (zusammen mit Hans-Dieter Schütt).
Text Günter R. Guttsche
Fotos: Dr. Reinhard Duddek

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