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Wir stellen vor: Svetlana Vozlinskaya

Sie ist  eine russische Journalistin aus Leidenschaft. Ihre Spezialgebiete sind Satire und humoreske Betrachtungen der Lebensweise in beiden Ländern. Sie lebt seit geraumer Zeit in Erfurt und schreibt für den Rundfunk und verschiedene Zeitschriften.

Wir möchten sie auf unserer Seite mit ihrer neuesten Geschichte vorstellen.

Sie handelt, wie kann es nicht anders sein, von ihren Eindrücken beim Besuch der thüringischen Stadt Schmalkalden.

Schmalkalden

Der eine hat eine besondere Vorliebe für die Renaissance, ein anderer für das Rokoko. Renaissance hin, Rokoko her: Ich schwärme für Fachwerk. Die Bremer Stadtmusikanten, Rattenfänger, Klein Zack und alle Nussknacker können, wie mir scheint, ein harmonisches Dasein führen, aber eben nur mit mittelalterlichem Fachwerk als Hintergrund.

Ich begab mich in die Stadt Schmalkalden. Man behauptet in der Touristik-Literatur, sie bestehe zu 90% aus Fachwerkhäusern. Ich habe gelesen, dass hier hauptsächlich ältere, ruhige Menschen wohnen. Das würde ich durchaus glauben, wenn ich nicht das Gegenteil erlebt hätte. In den Regionalzug, der mich nach Schmalkalden brachte, stieg stürmisch eine Gruppe rüstiger Rentner ein. Sie rannten wie eine wilde Horde durch die Wagen, riefen sich mir Unverständliches ungeniert laut zu und schwenkten dabei halbleere Bierflaschen. Ihr Verhalten irritierte auch eine Gruppe von Punkern, deren Tattoos mich bis dahin fasziniert hatten.

„Was für eine lustige Stadt!“- dachte ich. Sofort ging ich zur Touristinformation. Ein beleibter, älterer Herr saß am Tresen. Gut aufgelegt, fragte ich ihn nach dem Lieblingslied der Schmalkalder. „No problem“, sagte er in feinstem Neudeutsch, und sang mir sofort die erste Zeile des legendären Rennsteiglieds vor.

„Welch lustige Stadt!“, dachte ich nochmals.

Schmalkalden ist 1130 Jahre alt. Das ist für europäische Verhältnisse beachtlich. Jedenfalls sehen die mittelalterlichen Häuser immer noch recht gut aus. Ich habe nie gedacht, dass Fachhäuser so farbenfroh bemalt sein könnten. Martin Luther, der in Thüringen als Reformator verehrt wird, lebte beispielsweise 1537 in so einem rot-rosa angestrichenen Haus.

In der Schlosskapelle Wilhelmsburg steht die älteste, noch bespielbare Holzorgel Deutschlands, phantastisch!

Die Geschichte Schmalkaldens ist so märchenhaft wie die Lage dieser Stadt am Thüringer Wald.

Im Schloss selbst hatte ich das Glück, eine Hochzeitzeremonie zu erleben. Sie fügte sich wie ein Mosaik zusammen, Stück für Stück. Zuerst warfen Braut und der Bräutigam kleine Münzen unter die Zuschauer. Das entzückte vor allem die Kinder, die die Centstücke gierig auflasen. Dann ließen Freundinnen der Braut, ein paar Vögel, die aufgeregt in ihren Käfigen piepsten, frei. Sie flogen in alle Winde davon. Schließlich warfen die Braut und der Bräutigam in die Menge einen Blumenkranz. Der Kranz wurde von den begeisterten Hochzeitsgästen aufgefangen. Ich kannte schon diese Tradition: wer als Erster den Kranz auffängt, der wird dieses Jahr heiraten. Dann stiegen die Braut und der Bräutigam in eine Pferdekutsche, der Kutscher schnalzte mit der Zunge und rief den Pferden zu: „Los“. Die Pferde waren sich der Würde des Augenblicks offenbar nicht bewusst und trotteten über das frisch gekehrte Kopfsteinpflaster.

Ich muss gestehen, dass mir der Bräutigam äußerst sympathisch war. Er trug einen schwarzen Frack und ein schneeweißes Hemd mit weißer Fliege. Die Braut aber…hm… Sie war keine besondere Augenweide. Ich habe ihr Gesicht allerdings kaum sehen können. Sei es wie es sei! Ich wünsche dem jungen Paar, da, wie mir schien, dem Rentenalter schon nahe war, viel Glück.

Übrigens wurde jeder Schritt der Hochzeitsfeier von einem Kameramann dokumentiert.

Als ich zur St.Georgen –Kirche kam, trat gerade eine Familie ins Freie. Offenbar hatte gerade eine Taufe stattgefunden. Auch diese Szene wurde gefilmt. Die Kameraleute in Schmalkalden werden, wie mir schien, nie arbeitslos.

Mein lang gehegter Wunsch, den Rennsteig entlang zu spazieren, realisierte ich gleich von Schmalkalden aus. Ich wanderte nur drei, vier Meter und nicht die 168 km, die im Reiseführer angegeben sind. Bergsteigen liegt mir nämlich nicht. Ich sitze lieber an einem reich gedeckten Tisch und lasse es mir munden. So landete ich in einem kleinen aber feinen Café, wo es Thüringer Spezialitäten gab. Die Speisekarte hieß „Omas Küche“. Darauf stand: hausgemachte Eintöpfe mit Bockwurst. Es gab aber auch Thüringer Klöße mit Rahmschampignon und Thüringer Rostbrätel.

 

Den Text hat Frau Vozlinskya uns freundlicherweise vorab übergeben!

Übersetzt von Ludmila Pevsner

 

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