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Deutschland - und Russland - Jahre 2012/2013

„Schulbücher dokumentieren nicht nur das Selbstverständnis eines Landes, sondern geben auch Auskunft darüber, wie andere Länder und historische Ereignisse gesehen werden, wie sie einzuordnen und zu bewerten sind.“

In einer Bachelor - Arbeit hat die Autorin Maria Vasileva Ende Mai 2011 eine interessante Analyse vorgestellt, die Einblicke in die Vermittlung des Fremdbildes an deutschen Schulen gestattet. Wir machen darauf aufmerksam, dass es sich dabei um Schulbücher für den Geographieunterricht handelt und die Vermittlung des Stoffes von den jeweiligen Lehrkräften abhängig ist.

Geographiebuch

Schulbücher sind ein geeigneter Ort, um im schlechtesten Fall Stereotypen, Vorurteile oder Feindbilder zu transportieren und nachhaltig in den Köpfen der heranwachsenden Generation zu zementieren. Sie können auf der anderen Seite aber auch dazu beitragen, dass Nachbarländer, die eine konfliktreiche gemeinsame Vergangenheit haben, einander wieder näherkommen. Dann tragen Schulbücher zur Völkerverständigung bei.

Dies gilt auch für das Russlandbild in deutschen Schulbüchern.

Das Russlandbild in deutschen Geographiebüchern ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt negativer als das Deutschlandbild in russischen Geographiebüchern.

Als erstes fällt auf, das immer wieder einerseits Moskau als „Wohnort der Superreichen“ (S 9/10) und die „teuerste Stadt der Welt“ (K 5/6) bezeichnet wird, aber anderseits wird die Armut der Bevölkerung in Moskau betont, was allerdings von Schülern auf ganz Russland projiziert werden könnte. Als Beispiele für die Wohnorte der Großteil der Bevölkerung werden Plattensiedlungen am Rande der Stadt genannt und zu Verbildlichung des Textes dienen noch Fotos von diesen Wohngebieten. Auch werden deutsche Städte (Berlin, Köln, München, Hannover, Frankfurt/Main etc.) und deren Bevölkerung in Geographiebüchern thematisiert. Im Gegensatz z. B. zu Moskau und Moskowitern sind sie sehr positiv dargestellt . In keinem der analysierten deutschen Bücher wurden Probleme der großen Städte angesprochen, obwohl es auch in Deutschland die Plattensiedlungen mit relativ armer Bevölkerung gibt und z. B. in der Hauptstadt Berlin auch die Disparitäten zwischen Arm und Reich zu beobachten sind.

„Viele [Rentner] können sich nur die einfachsten Lebensmittel kaufen: Graupen, Gries, Brot, Salz, Zucker und Tee. Bei hohen und weiterhin steigenden Mietkosten leben auch viele Familien mit Kindern und mit nur einem Einkommen an der Armutsgrenze. Kommen Arbeitslosigkeit oder Alkoholismus dazu, zerbrechen viele Familien. Die Zahl der Straßenkinder ist daher in Moskau relativ hoch. Die meisten ärmeren Menschen leben in den riesigen Satellitenstädten am Rande Moskaus in einfachen Plattenbau-Wohnungen aus der sozialistischen Zeit, oftmals ohne günstige Verkehrsanbindungen und ohne Geschäfte“ (S 9/10 2008: 86).

Weiter im Text wird behauptet, dass nur Angehörige der reichen Oberschicht „im Urlaub beispielsweise ans Mittelmeer fliegen“ (S 9/10 2008: 86) können. Solch eine Behauptung ist eher eine negative Einschätzung, ohne dass Beweise dafür im Buch gegeben werden. Außerdem trifft diese Aussage in keinster Weise zu. Es stimmt zwar, dass die Kluft zwischen Reich und Arm in Russland extrem groß ist. Jedoch machen sich die positiven Entwicklungen der letzten zehn Jahre langsam sichtbar und die Zahl der Mittelschichtangehörigen nimmt zu. Es gibt durchaus Russen, die nicht jeden Rubel zählen müssen, aber auch nicht im Luxus schwimmen. Sie können sich ein normales Auto und einen angenehmen Urlaub am Mittelmeer leisten.

Im Lehrwerk von Cornelsen 5/6 (2008: 147) wurde der Alltag bei Familie Koslow aus Moskau (Fremdbild) dargestellt, wo die Lebensbedingungen sowie die finanzielle Situation dieser Familie behandelt wurden. In einem anderen Lehrwerk für die gleiche Jahrgangsstufe wurde der Alltag bei einer deutschen Familie Weber (Selbstbild) skizziert (S 5/6 2008: 92f.). Im Folgenden werden die Alltage beider Familien verglichen:

Das Fremdbild der Familie Koslow ist eindeutig viel negativer ausgefallen als das Selbstbild der Familie Weber. Die russische Familie ist arm und kann sich in ihrem Leben nichts leisten.

Sogar das Vorhandensein des Computers wird als eine für diese Wohnung atypische und unpassende Erscheinung geschildert. Außerdem wurde bei der Beschreibung der Wohnungstür von Familie Koslow auch die hohe Kriminalität in Russland implizit thematisiert. Aber nicht nur das Leben der Menschen in den Städten sondern auch auf dem Lande wird eher ungünstig dargestellt:

„Die Familie musste häufig ohne Bargeld auskommen, da der Lohn in Weizen und Mais ausbezahlt wurde. […] An den Lebensverhältnissen der Familie hat sich seit 1991 wenig geändert. […] Für die Anschaffung eines Fernsehers fehlt nach wie vor das Geld“ (W 9/10 2008: 67).

 

Wirtschaftliche Aspekte

Die Wirtschaft Deutschlands wird in allen analysierten Büchern durch ein sehr positives Bild dargestellt und der hohe Rang Deutschlands Industrieproduktion gegenüber anderer Staaten der Welt hervorgehoben:

„Deutschland gehört zu den führenden Nationen der Welt“ (S 9/10 2008: 54).

„Deutschland als Exportweltmeister“ (S 9/10 2008: 54).

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland werden vor allem in Geographiebüchern auf die Wirtschaft begrenzt. Dabei werden in ihnen vorhandenen Vorurteile und Stereotypen thematisiert und in den begleitenden

Aufgaben angesprochen.

Das Fremdbild von Russland ist problematischer. Obwohl die Fakten sachlich korrekt dargelegt werden, fehlt es an medialer Angemessenheit. Es werden mehrere Fotos und Karikaturen verwendet, die durchaus als vorurteils- und stereotypenfördernd eingestuft werden können. Es findet eine Themenselektion statt, wodurch vor allem für Deutschland relevante Inhalte in Bezug auf Russland behandelt werden (besonders Erdöl- und Erdgasproblematik sowie die

Naturressourcen von Sibirien).

Es lässt sich folgendes Fremdbild von Russland erstellen: Russland ist ein Land der Paradoxe. Einerseits gibt es alle Voraussetzungen für die Entwicklung der Wirtschaft (z. B. Rohstoffe, Humankapital sowie große Landfläche) und die Bedeutung von Russland nimmt in der internationalen Wirtschaft und Handel ständig zu, anderseits ist die Bevölkerung arm und hat kein Vertrauen in

die Zukunft. Der Staat versucht alle gewinnbringenden Wirtschaftsbranchen zu kontrollieren und auch noch die benachbarten GUS-Länder wirtschaftlich und politisch unter Druck zu setzen. Außerdem wird das Land zusätzlich durch die Nationalitätenkonflikte (Viele Völker – viele Konflikte) erschüttert.

Folgende Verbesserungen sollten eingearbeitet werden:

  • Mehr positive und vor allem aktuelle Beispiele aus dem Alltag durch die Betrachtung von Menschen verschiedener sozialer und räumlicher Milieus (z. B. Leben eines Bürgers, der ein mittleres Einkommen hat, und zwar nicht in Moskau, sondern in einer anderen russischen Stadt oder sogar in einem Dorf);
  • Mehr Fotos mit positiven Inhalten (z. B. keine Plattensiedlungen; Bilder von friedlichem Zusammenleben mehrerer Ethnien und Völker etc.);
  • Außer Erdgas- und Erdölbranchen auch das wissenschaftliche, technische Potenzial des Landes sowie andere Branchen ansprechen;
  • Bei der Verwendung von Abbildungen bzw. Karikaturen soll zuerst festgestellt werden, welche Inhalte sie wiederspiegeln und welche sie ausblenden, welche Botschaft sie übermitteln etc.
Die vollständige Arbeit können Sie sich über den nachstehenden Link herunterladen.
Quelle:
http://www.didageo.uni-hannover.de/fileadmin/institut/pdf/Maria_Vasileva_BA.pdf

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